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Trauer um den großen europäischen Filmemacher und Revoluzzer Jean-Luc Godard
Der französisch-schweizerische Starregisseur starb am gestrigen Dienstag mit 91 Jahren in der Schweiz.
Er hat Beihilfe zum Suizid erhalten. "Herr Godard hat die in der Schweiz legale Hilfe zu einem freiwilligen Abschied in Anspruch genommen", wird Patrick Jeanneret, ein Berater der Familie, in der Nachrichtenagentur AFP zitiert. Grund dafür seien seine zahlreichen Krankheiten gewesen. Die französische Zeitung "Libération", die zuerst über den Todesfall berichtet hatte, zitiert hingegen eine andere, nicht namentlich genannte Person, die der Familie nahestünde: "Er war nicht krank, er war nur erschöpft. Also traf er die Entscheidung, es zu beenden. Es war seine Entscheidung und es war ihm wichtig, dass sie bekannt wurde." Dies habe eine weitere Person aus dem Umfeld des verstorbenen Regisseurs bestätigt. "Unsterblich werden und danach sterben." Das lässt Jean-Luc Godard 1960 in "Außer Atem" Jean-Pierre Melville sagen. Und im Grunde ist es das, was Godard genau so exerziert hat. Die Gangsterballade "Außer Atem" war sein Debüt, sein Durchbruch und sein Vermächtnis. Er hat noch weitere bahnbrechende Filme gedreht, aber letztlich ist "Außer Atem" die Essenz seines Schaffens, er hat ihn unsterblich gemacht, dabei war er nicht einmal 30, als er ihn drehte. 1959 war Godard mit seiner kleinen Filmcrew fast ohne Geld durch Paris gestromert und hatte vor Ort gedreht, so wie die italienischen Neorealisten, die ihn als Filmkritiker so begeistert hatten. Die Legende, er habe den Film komplett improvisiert, stimmt nicht. Es gab einen unfertigen Entwurf seiner Kollegen Claude Chabrol und François Truffaut. Mal hielt sich Godard daran, mal schrieb er morgens ganze Szenen neu, mal drehte er tatsächlich wild drauflos. Hauptdarstellerin Jean Seberg, eine Amerikanerin, die aus Hollywood andere Bedingungen gewohnt war, hatte nachvollziehbarerweise schnell den Verdacht, es mit einem Irren zu tun zu haben. Die beiden gingen sich fast ständig an die Gurgel, Filmpartner Jean-Paul Belmondo kam mit dem Chaos besser zurecht und am Ende sollte Godard Recht behalten: Sein Film, der lustvoll mit allen Regeln brach, wackelige Bilder auf die Leinwand brachte, bei dem der Ton oft nicht zu passen schien und scheinbar willkürliche Schnitte verwirrten, dieser Film setzte Standards und etablierte eine Filmmode – die Nouvelle Vague. In der Folge rannten in halb Europa wild gewordene junge Filmemacher mit der Kamera in der Hand durch die Gegend und verstießen mit Vorsatz gegen bewährte Erzählmuster. Das war nicht immer brillant, aber oft stilbildend und mitunter fesselnd. Godard, der nicht nur ein hochbegabter Regisseur war, sondern auch ein PR-Profi, kommentierte mit dem berühmten Satz, jeder Film benötige einen Anfang, einen Mittelteil und ein Finale, aber nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge. Der Erfolg der Nouvelle Vague wurde ihr und damit auch Godard zum Verhängnis. Viele ihrer Elemente tauchten im Mainstreamkino auf, und damit verpuffte der Effekt der Kinorevoluzzer aus Frankreich. Manche wie Truffaut nutzten das, um endlich Werke für ein großes Publikum zu machen. Für Godard hingegen war das Ausverkauf und nicht hinnehmbar. Er erklärte den Trend, den er halb zufällig miterfunden hatte, zur eigenständigen Kunstform, so wie Literatur oder Malerei. Gleichzeitig boykottierte er die klassischen Vertriebswege des Kinos und produzierte vorsätzlich Untergrundfilme, die er ausdrücklich in den Dienst der Revolution stellte. Man muss dazu sagen, dass dies in die Zeit fiel, in der Godards Filme ohnehin zum Nischenkino wurden, das kaum einer ansah. Seine Antwort auf die vermeintliche Anbiederung seiner Kollegen an das "bürgerliche" Kino waren immer experimentellere Werke, die auf gar keinen Fall Unterhaltungskino sein wollten. Eine Haltung, die man als typisch für jemanden nennen könnte, der aus einem wohlhabenden Elternhaus stammte und sich um sein Auskommen nie Sorgen machen musste. Natürlich war da auch persönliche Aufarbeitung im Rebellentum gegen das Establishment – Godards Eltern hatten sich während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg eingerichtet und kollaboriert. Er selbst sah sich als lebenslangen Widerständler gegen autoritäre Systeme. Der Vietnamkrieg trieb ihn um, auch die Unfähigkeit der Kommunikation, wenn er etwa in "Ein Film wie jeder andere" linke Studenten und Arbeiter über die Unruhen von 1968 diskutieren lässt und klar wird: die, die sich für die Arbeiter starkmachen, hören diesen Arbeitern oft gar nicht zu. 1982, da war Godard knapp über 50, bekam er bei den Festspielen in Venedig schon den Ehrenpreis, er verstand, dass das im Grunde sein Ende als relevanter Filmemacher war. Er versuchte den Weg zurück, wollte das Publikum erreichen. Es gelang nur in Ansätzen. Hollywood hat er trotz lukrativer Angebote immer ausgeschlagen. Nun ist der Regelbrecher, Antikonformist und grandiose Miesepeter Jean-Luc Godard mit 91 Jahren gestorben und hinterlässt mehr als 100 Filme. Viele haben ihn verehrt, noch mehr haben ihn verachtet. Aber ignorieren konnte ihn niemand... Quellen: Ippen-Digital, Spiegel, AFP, Libération, Wikipedia |
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