Unter den vielen Auszeichnungen, die Ulrich Tukur bekommen hat, ist eine auf den ersten Blick irritierend – im Jahr 2013 erhielt der Schauspieler, Musiker und Autor den Jacob-Grimm-Preis.
Er wird verliehen an Personen, die sich "in besonderem Maße um die Anerkennung, Weiterentwicklung und Pflege des Deutschen als Kultursprache" verdient gemacht haben.
Sehr akademisch... Auf den zweiten Blick erscheint die Wahl aber einleuchtend.
Man kann Ulrich Tukurs Wirken, zu dem auch das Einsprechen von Gedichten und Balladen oder Hörbüchern gehört, nämlich tatsächlich auch als Sprachpflege verstehen.

Dort, wo das Wort die Welt bedeutet, ist er zu Hause – als Verwandlungskünstler und einer, der die Unterhaltung des Publikums so ernst nimmt, wie es nötig ist.
Tukur, der heute 65 Jahre alt wird, hat das Augenzwinkern, den der Auftritt im Frack oder am Akkordeon mit den Rhythmus Boys braucht, um nicht allzu ernst genommen zu werden.
Wobei ihm dieses Kleidungsstück so gut steht wie kaum jemandem im deutschen Sprachraum.

Der Schauspieler, der als John Rabe genauso brilliert hat wie als Dietrich Bonhoeffer, als "Jedermann" in Salzburg wie als "Tatort"-Kommissar, kam 1957 im hessischen Viernheim als Ulrich Scheurlen zur Welt.
Den Nachnamen Tukur, so heißt es, habe er einem Übersetzungssprachwitz aus der napoleonischen Besatzungszeit entlehnt.
Aus "Napoleon, tout court" (Napoleon, ganz einfach), wie ein französischer Offizier seinen neugeborenen Sohn nennen wollte, soll ein nicht so belesener Beamter damals auf dem Papier "Tukur" gemacht haben.

Noch während seiner Schauspielausbildung gab Tukur sein Debüt beim Film, 1982 in Michael Verhoevens "Die weiße Rose" als Willi Graf, Angehöriger des Widerstands um Hans und Sophie Scholl.
Seine prägenden Jahre aber erlebte er in der Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur Peter Zadek, spielte eine große Vielfalt an Rollen, vom SS-Offizier bis zu Shakespeares Hamlet. Im Jahr 1986 wurde er zum "Schauspieler des Jahres" gekürt.

Zum Star aber wurde der Vater von zwei Kindern, der in zweiter Ehe mit der Fotografin Katharina John verheiratet ist, im Kino und im Fernsehen.
In dem mit einem Oscar ausgezeichneten Film "Das Leben der Anderen" sah man ihn, in "Ein fliehendes Pferd" nach Martin Walser, in "Das weiße Band" von Michael Haneke, aber auch in Filmbiografien wie "Rommel" oder "Grzimek".
Als Wiesbadener "Tatort"-Kommissar Felix Murot wirkt er ein wenig wie aus einem anderen Jahrhundert kommend, man kann sich seinen Darsteller leicht als Zirkusdirektor vorstellen oder als ewigen Sommerfrischler nach dem Vorbild des Franzosen Jacques Tati (1907–1982).
Es ist, als wolle er sich durch Kreativität dagegen verwahren, ausschließlich in der Aktualität leben zu müssen.
Als müsse es möglich sein, der Wirklichkeit des Lebens zu entfliehen.
Dieser Habitus findet sich auch in der Tanzkapelle Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys, die gerade auf Tour ist, mit einem Programm aus Eigenkompositionen und Evergreens.

Wo Klappern zum Handwerk des Musikers und Entertainers gehört, erfordert die Schriftstellerei Ruhe.
Der Autor Tukur, der viele Jahre in Venedig und der Toskana lebte und erst vor Kurzem nach Berlin zog, begann mit Geschichten, die er in Venedig sammelte ("Die Seerose im Speisesaal").
Passend zur Lagunenstadt haben die dort aufgezeichneten Begebenheiten einen morbiden und fantastischen Zug.
Mittlerweile hat er mit "Wehe, wirre, wunderliche Worte" eine Liebesgedichtesammlung sowie weitere Bücher, darunter einen Roman, vorgelegt.

Fehlt jetzt eigentlich nur noch die Malerei. Aber das kann ja noch kommen. Tukur wird ja erst 65.

Herzlichen Glückwunsch, Ulrich Tukur!

Quellen: Ippen-Digital, Wikipedia, Süddeutsche